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Discorso del Presidente della Confederazione Ignazio Cassis, capo del Dipartimento federale degli affari esteri DFAE, al Congresso degli Svizzeri all’estero a Lugano il 20.08.20222022.

Onorevoli Consigliere e Consiglieri nazionali e agli Stati
Signor Presidente dell’OSE Filippo Lombardi,
Signora Direttrice dell’OSE Ariane Rustichelli,
Signor Segretario di Stato supplente Johannes Matyassy,
Signore Delegate, signori Delegati
Care Svizzere e cari Svizzeri all’estero
Care amiche e cari amici degli Svizzeri all’estero

Benvenuti a Lugano!

Es freut mich, dass Sie aus der ganzen Welt in meinen Heimatkanton Tessin gekommen sind, um über Demokratie zu diskutieren.

Das Tessin ist ein passender Ort für diese Diskussion. Wir sind hier in einer eigentlichen Brutstätte der Schweizer Demokratie. Denn der Kanton Tessin war der erste Kanton, der sich eine liberale Verfassung gab. Das war 1830 – vor knapp 200 Jahren, noch vor der Gründung unseres Bundesstaates! Wir Tessiner sind heute noch stolz darauf.

Auch vor knapp 100 Jahren geschah Wichtiges: Damals wurde der erste Auslandschweizer-Kongress durchgeführt. Dieses Jahr findet er bereits zum 98. Mal statt!

Diese beeindruckende Zahl verdeutlicht, dass die Auswanderung seit langem ein wichtiges Merkmal der Schweiz war. Und sie ist es nach wie vor!

Meine Damen und Herren

Die Demokratie der Schweiz steht im Zentrum Ihres Kongresses hier in Lugano. Ich begrüsse das und bin gespannt auf Ihre Einschätzungen darüber,

wo sich Chancen und Herausforderungen für unser Land präsentieren und welche Schlüsse wir daraus ziehen sollen.
Ich selbst möchte hier den internationalen Bogen für diese Debatten spannen: Wie steht es um die Demokratie weltweit und was heisst das für die Schweiz?

Zeitenwende

Zunächst ein paar Stichworte zum weltpolitischen Rahmen:

Wir sprechen heute von einer Zeitenwende. Das ist nicht übertrieben.

Seit einiger Zeit war spürbar, dass eine Epoche vermeintlicher Stabilität zu Ende geht. Der brutale Angriffskrieg einer UNO-Vetomacht gegen ein souveränes Land in Europa hat diesen Epochenwechsel beschleunigt. Wir leben heute in einer neuen Welt.

Russlands Krieg hat die Friedensordnung Europas zum Einsturz gebracht.

Machtpolitik, Nukleardrohungen, geopolitische Bruchstellen, die wachsende Rivalität der Grossmächte – all das rückt in den Vordergrund, weltweit. Das Völkerrecht wird nicht respektiert oder teilweise gar mit Füssen getreten.

Aufstrebende Mächte grenzen sich vom Westen ab. Stattdessen propagieren sie alternative Gesellschafts- und Entwicklungsmodelle. Ich denke dabei natürlich vor allem an China: Das Land zeigt eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung, die aber weder auf Demokratie noch einer liberalen Marktwirtschaft beruht.

Wir sind in einer multipolaren Welt, die rau und unübersichtlich ist.

Und noch weitere Aspekte kennzeichnen die aktuelle Situation:

Die Globalisierung läuft insgesamt rückwärts.Die Pandemie und der Ukrainekrieg haben die Risiken globaler Produktion und Wertschöpfung vor Augen geführt. Der Trend geht Richtung Regionalisierung.

Die Weltwirtschaft leidet.Der globale Schuldenberg hat schwindelerregende Höhen erreicht. Die Inflation macht Entwicklungsfortschritte zunichte. Und explodierende Nahrungsmittel- und Energiepreise verstärken die Nöte vieler Menschen.

In manchen Ländern des Südens drohen Hungerkrisen.

Und Europa ringt um eine sichere Energieversorgung.
Multilaterale Lösungen für die grossen globalen Herausforderungen sind heute wichtiger denn je. Aber viele internationale Organisationen tun sich schwer. Sie sind in einer anderen Zeit erschaffen worden.

Wie die Staaten trotz unterschiedlicher Werte und Interessen kooperieren können, wird zu einer der grossen Fragen unserer Zeit.

Alles in allem: keine guten Aussichten. Krisen werden auf absehbare Zeit der Normalfall bleiben. Wir sprechen heute sogar von «Multikrisen»…

Demokratie und Streben nach Freihet

Was heisst das für die Demokratie?

Ich könnte jetzt ein düsteres Bild malen. Aber eigentlich sehe ich dafür wenig Anlass. Es ist alles eine Frage der Perspektive.

Wählen wir eine langfristige Betrachtungsweise, so sehen wir: es gibt seit mehr als 200 Jahren einen Trend in Richtung mehr Demokratien. Der demokratische Fortschritt verläuft aber nicht linear, sondern wellenförmig.

Um 1800 lebten fast alle Menschen in klassischen Autokratien und verfügten nur über wenige politische Freiheitsrechte.

Im 19 Jh. verfügten nur rund 14 Millionen Menschen über die vollen Rechte einer liberalen Demokratie – und zwar in der Schweiz, Belgien und Australien.

Im 20. Jh. ging es immer wieder rauf und runter. Zum Ende des Jahrhunderts lebte eine Mehrheit der Menschheit – ca. 3 Milliarden Menschen – in liberalen oder wenigstens elektoralen Demokratien. Man sprach sogar vom Ende der Geschichte.

Seiter geht die Welle wieder in die andere Richtung. Bis zu zwei Drittel der Menschheit leben heute in Autokratien. Das hat mit demografischen Trends zu tun, ist aber vor allem ein Spiegel der weltpolitischen Entwicklungen.
Autokratisches Denken ist wieder «in» und verbreitet sich. Gemäss der Menschenrechtsorganisation Freedom House blicken wir jetzt auf eine Periode von 16 Jahren zurück, in denen es mehr Staaten mit Rückschritten in den politischen Freiheiten gab als Staaten mit Fortschritten. Im Jahr 2022 standen 60 Staaten mit Rückschritten nur 25 Staaten mit Fortschritten gegenüber.

Ein Alarmzeichen ist auch, dass Militärputsche wieder stark zugenommen haben.

Demokratien sind heute von aussen und von innen bedroht. Illiberale Kräfte zeigen sich teilweise bereit, die demokratischen Institutionen, denen sie ihr Mandat verdanken, auszuhöhlen und wenn nötig zu Fall zu bringen.

Der 6. Januar 2021 dürfte in Washington noch lange Nachwirkungen haben.

Auch bei uns in Europa sehen sich liberale Demokratien mit Vertrauenskrisen konfrontiert. Populistische Strömungen sind seit der Finanzkrise 2008 immer wieder aufgeflammt und haben nationale Parteienlandschaften umgepflügt.

Die Demokratie und der liberale Fortschritt sind also alles andere als gesichert.

Und doch bin ich zuversichtlich.

Um das bekannte Bonmot von Churchill aufzunehmen, die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.

Es ist durchaus denkbar, dass sich der aktuelle Negativtrend längerfristig wieder ins Positive wendet und die liberale Demokratie ihren Siegeszug fortsetzt.

Mir fällt zum Beispiel auf, wie sich auch Länder wie China und Russland darum bemühen, ihren demokratischen Charakter zu unterstreichen. Man lese ihre gemeinsame Erklärung vom 4. Februar 2022, in der sie sich ausführlich als Demokratien darstellen. Kaum jemand will sich heute freiwillig als Autokrat oder Diktator präsentieren.

Ich bin auch überzeugt, dass liberale Demokratien im Wettbewerb der Systeme nach wie vor ein paar Asse im Ärmel haben. Zwar produzieren auch sie immer wieder Fehlleistungen, da dürfen wir uns nichts vormachen. Aber sie können auch enorm leistungsfähig sein, das haben sie immer wieder bewiesen.

Vor allem liberale Demokratien verfügen über Korrekturmechanismen, mit denen Fehlentwicklungen justiert werden können. Der kritische Bürgerdialog ist eine ihrer grossen Stärken.

Fakt ist: Das Streben nach Freiheit bleibt eine mächtige Triebfeder jeder Gesellschaft. Die Ukrainerinnen und Ukrainer führen uns das seit Monaten eindrücklich vor Augen. Sie haben in diesem Krieg viel zu verlieren.

Es ist kein Zufall, dass an der Lugano Recovery Conference hier vor ein paar Wochen die «demokratische Teilhabe» als eines von sieben Prinzipien für den Wiederaufbau des Landes vereinbart wurde.

Demokratieförderung ist ein Verfassungsauftrag

Was heisst das alles für die Schweiz?

Es zeichnet sich ab, dass das Ringen zwischen Demokratien und Autokratien in den nächsten Jahren prägend wird. Der Umgang mit nicht-demokratischen Staaten wird für uns anspruchsvoller.

Dem muss der Bundesrat in seiner nächsten Aussenpolitischen Strategie Rechnung tragen. Diese Strategie für die Jahre 2024−2027 wird er im nächsten Jahr verabschieden.

Die Förderung von Demokratie ist eine Aufgabe, die uns unsere Bundesverfassung vorgibt. Hier kann und wird die Schweiz noch mehr machen. Wir können Staaten und Gesellschaften in der Stärkung ihrer Demokratie unterstützen, wenn sie das wünschen. Wir werden dies ohne missionarischen Eifer tun. Denn wer dem autokratischen Vormarsch ideologisch begegnet, hat schnell verloren.

Gegenüber nicht-demokratischen Staaten soll die Schweiz selbstbewusst für die Einhaltung grundlegender Werte einstehen. Das ist Teil unserer Interessenpolitik. Nicht immer ist öffentliche Kritik dabei am zielführendsten. Manchmal ist die Schweiz zum Beispiel auch mit diskreten Guten Diensten involviert.

Der Umgang mit Zielkonflikten ist anspruchsvoll, aber gehört zu unserem aussenpolitischen Alltagsgeschäft.

Um unsere grossen globalen Probleme bewältigen zu können, müssen alle Staaten zusammenarbeiten. Dazu braucht es ein Minimum an Vertrauen – und Brückenbauer wie die Schweiz.

Wir werden uns auch künftig für einen wirksamen und fokussierten Multilateralismus einsetzen. Unser Einsitz im Sicherheitsrat gibt uns hierfür ein weiteres Werkzeug in die Hand.

Die Rolle der Auslandschweizer/Innen

Meine Damen und Herren

Die Schweizer Demokratie ist einzigartig. Wir haben nicht nur eine Demokratie für das Volk, sondern eine Demokratie durch das Volk und dies auf allen föderalen Ebenen. Zu dieser Demokratie müssen wir Sorge tragen.

Wir alle blicken auf schwierige Monate und Jahre zurück. Dabei müssen wir erleben, wie auch in unserem Land Polemik, Hass und Dialogverweigerung zugenommen haben. Man schaue in die sozialen Medien.

Wir alle können dazu beitragen, dass sich dieser Trend nicht fortsetzt. Dialog und die Fähigkeit, tragfähige Kompromisse zu schmieden, sind das Lebenselixier der Schweizer Demokratie. An diesen Stärken müssen wir arbeiten, Tag für Tag.

Dazu gehört auch, Demokratie nie als statisch und gottgegeben zu betrachten. Vielmehr sollten wir offen und neugierig zu fragen, mit welchen Neuerungen wir unsere Demokratie weiter stärken und zukunftsfähig machen können.

Sie als Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer spielen in einer solchen Diskussion eine wichtige Rolle;

Sie sehen unser Land mit einem Blick von aussen, was – wie wir alle wissen – oft wichtige neue Erkenntnisse zutage fördert;
Und Sie gewinnen sicherlich auch immer wieder Einsichten in Ihrem Gastland, die auch die Debatten in unserem Land weiterbringen können. Auch die Schweiz kann von anderen lernen.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Teilnahme an diesem Kongress.

SwissInTouch: die neue App für Auslandschweizer/Innen

Permettez-moi de conclure avec une surprise :

Je l’ai déjà évoqué dans le cadre des vœux que je vous ai transmis lors de la Fête nationale. J’ai désormais le grand plaisir de vous l’annoncer en personne : une nouvelle application pour smartphones sera lancée en novembre prochain, spécialement développée par nos services consulaires à l’attention des Suissesses et des Suisses de l’étranger. Elle servira de plateforme de communication entre vous et nous : entre vous et nos ambassades, entre vous et Berne.

En primeur, je peux même vous révéler le nom que portera cette application : SwissInTouch. Le choix de ce nom illustre bien la volonté de dialogue et d’échange qui se cache derrière ce développement technologique. Chargez-là sur votre smartphone dès qu’elle sera disponible et profitez ainsi d’un nouveau canal de communication.

Grazie della vostra attenzione e buon soggiorno a Lugano!

fonte: Dipartimento federale degli affari esteri